Die Geräusche, die da aus dem Schilfsaum kommen, erinnern irgendwie an die quietschende Achse eines hölzernen Pferdewagens. Es ist aber das Lied eines Sumpfrohrsängers, mit dem der kleine Vogel ziemlich ausdauernd seinen Anspruch auf dieses Stück Röhricht verlauten lässt. Und keine 10 Meter entfernt tönt sogar ein zweites Exemplar aus dem Nachbarrevier.

renaturierter Bereich am Südufer

So gut der Vogel zu hören ist, so schwierig ist er im dichten Schilf zu finden. Nicht nur, dass seine hellbraune Färbung perfekt an die trockenen Schilfhalme angepasst ist. Meist halten sich die Tiere im unteren Bereich der Vegetation auf, wo die Halme ein dichtes Gewirr bilden und ausgezeichnet Deckung geben. Erfahrungsgemäß macht es keinen Sinn vor dem Schilf auf und ab zu gehen und von immer neuen Standorten aus nach den Vögeln zu spähen. Die haben den neugierigen Beobachter nämlich längst bemerkt und ihrerseits kein großes Interesse daran, entdeckt zu werden. Besser ist es, sich einen Standpunkt mit gutem Überblick zu suchen und dort möglichst ruhig zu warten.

Die singenden Männchen verlassen sich nämlich nicht darauf, dass ihr Versteck im Schilf ihnen schon genügend Sicherheit bieten wird. Ihr Gesang, gedacht für die Ohren von Rivalen und umherziehenden Weibchen, wird schließlich auch von Tieren wahrgenommen, die sich gerne einen Sumpfrohrsänger schmecken lassen möchten. Also wechseln die Sumpfrohrsänger alle paar Minuten ihren Platz. Wer geduldig wartet, wird irgendwann einen der kleinen Vögel zu sehen bekommen.

Die beiden Reviere trennt nicht nur eine imaginäre Grenze sondern ein etwa einen Meter breiter Bereich ohne Schilf. Spaziergänger scheinen hier regelmäßig den kleinen Bach zu queren. Dieser schilffreie Bereich wird von den Sumpfrohrsängern als Turnierplatz genutzt. Denn Gesang ist ja schön und gut, manchmal müssen den Worten aber auch Taten folgen. Kommt eines der Männchen der Reviergrenze zu nahe, wird es vom Nachbarn attackiert. Das angegriffene Männchen reagiert mit einem Gegenangriff und für ein paar Sekunden flattern beide im schilffreien Bereich zwischen ihren Revieren wild umeinander. Sind die Fronten geklärt, erfolgt der Rückzug ins eigene Revier.

Die ausdauernden Gesänge und Grenzstreitigkeiten der beiden Sumpfrohrsänger-Männchen lassen darauf schließen, dass sie noch keine Partnerinnen gefunden haben. Sonst wären sie mit Nestbau, Brut und Brutpflege beschäftigt und würden nur morgens und abends singen.

Der kleine, gewundendene Bachlauf wurde 2011 direkt am südlichen Seeufer als Verbindung zwischen Leine und Kiessee angelegt. Die Renaturierung der vorher dort befindlichen Ackerflächen war eine Ausgleichsmaßnahme für Bauarbeiten an der Autobahn A7 bei Grone und sollte, neben einer Erweiterung der Naherholungsmöglichkeiten, Insekten und Vögeln neuen Lebensraum bieten. Mittlerweile haben sich entlang des Baches dichte Weiden- und Erlengebüsche entwickelt und dazwischen Schilfsäume. Drumherum sind Blumenwiesen mit einzeln wachsenden Bäumen entstanden. Neben den Sumpfrohrsängern zeigen sich auch Rohrammer, Feldsperling und Eisvogel. Die Insektenfauna ist bisher aber eher spärlich.

Neben und durch das Schilf verlaufen Spazierwege. Die Vögel haben sich an die Nähe der Spaziergänger gewöhnt und reagieren erst dann, wenn man die Wege verlässt und sich dem Schilf noch weiter nähert.