Migration gehört zum Wesen des Lebens. Es gibt so gut wie keine Tierart auf der Erde, die nicht durch aktive Wanderung versucht, neue Lebensräume zu finden und zu besiedeln. Selbst Pflanzen versuchen sich auszubreiten. Flugfähige Tiere haben es dabei natürlich besonders leicht und nicht nur Vögel legen bei ihren Wanderungen hunderte und tausende Kilometer zurück, auch Insekten sind in der Lage, große Entfernungen und Hindernisse wie Gebirge zu überwinden. Ein bekanntes Beispiel ist der nordamerikanische Monarchfalter, der bei seinen Wanderungen zwischen Sommer- und Winterquartier bis zu 3600 Kilometer zurücklegt (https://de.wikipedia.org/wiki/Monarchfalter).
Im engeren Sinne geht es bei Migration aber um die dauerhafte Besiedlung neuer Lebensräume. Damit das gelingt, müssen die Lebensbedingungen in der neuen Heimat stimmen. Dabei spielt das Klima eine entscheidende Rolle. Als wechselwarme Tiere lieben es Insekten warm. Kein Wunder also, dass der Klimawandel dazu führt, dass immer mehr ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatete Arten sich auch bei uns wohlfühlen. Ein Trend, der bereits seit gut 30 Jahren zu beobachten ist.
Hier einige Beispiele aus Stadt und Region Göttingen.
Wespenspinne (Argiope bruennichi)
Zwar kann die Wespenspinne nicht fliegen und ist natürlich auch kein Insekt. Nach Deutschland eingewandert ist sie trotzdem. Noch in den 1990er Jahren gab es nur wenige Vorkommen im Südwesten, 2005 war sie bereits in ganz Deutschland verbreitet, 2004 gab es sogar eine Fundmeldung südlich von Oslo (https://nrw.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/spinnen/19498.html). Zwischen 2006 und 2009 gab es ein regelrechtes Massenvorkommen auf dem Kerstlingeröder Feld und beim damals noch nicht verlandeten Tripkenpfuhl am Herberhäuser Stieg.
Beispiel Feuerwanze (Pyrrhocoris apterus)
Ebenfalls bis in die 1990er Jahre in Deutschland eher selten, gehört die Feuerwanze mittlerweile zum selbstverständlichen Stadtbild. Denn sie fühlt sich besonders in der Nähe des Menschen wohl, findet sie hier doch rissige Gemäuer, gepflasterte Wege und Plätze und stattliche, hohle Parkbäume, in denen sie große Kolonien bildet und darin die immer milderen Winter gut übersteht.
Südliche Binsenjungfer (Lestes barbarus)
Eine Libellenart ebenfalls aus dem Mittelmeerraum. 2009 häufig am Tripkenpfuhl, mit der praktisch vollständigen Verlandung dort aber wieder verschwunden. Die Südliche Binsenjungfer wandert immer wieder ein, kann sich aber selten dauerhaft ansiedeln. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die von dieser Libellenart bevorzugten Kleingewässer relativ schnell verlanden. (Siehe auch: Tripkenpfuhl – Sterbendes Kleinod im Göttinger Wald)
Feuerlibelle (Crocothemis erythraea)
Relativ neu in der Region Göttingen ist diese auffällig rot gefärbte Libellenart. Zahlreiche Männchen konnten im Juli 2024 am Südufer des Kiessees beobachtet werden. Auch am Seeburger See war die Feuerlibelle zu sehen. Weibchen wurden nicht gesichtet und so bleibt offen, ob der besonders warme Sommer lediglich einzelne Tiere gen Norden gelockt hat oder auch die Fortpflanzung vor Ort geglückt ist und im nächsten Jahr adulte Libellen aus hier aufgewachsenen Larven schlüpfen werden.