Der Levinsche Park befindet sich auf dem ehemaligen Gelände der „Hermann Levin G.m.b.H Wollwaren-Fabrik“, die 1929 in Folge der Weltwirtschaftskrise schließen musste. Das Parkgelände ist weitgehend identisch mit den Grünanlagen um das ehemalige Wohnhaus der Fabrikbesitzer, welches ebenfalls noch erhalten ist. Der größere Teich wurde 1873 als Wasserreservoir für die Fabrikation angelegt, ist heute aber etwas kleiner. Ebenfalls noch erhalten ist die ehemalige „Arbeiterbadeanstalt“. Seit 1976 befindet sich darin das Restaurant „Schinderhannes“.

Tuchhandel und Wollweberei

Schon im Mittelalter waren Tuchhandel und Wollweberei in Göttingen wichtige Gewerbe. 1722 gründete Johann Heinrich Grätzel die „Camlotten- unt Drogetten-Fabrique“ als eine der ersten Manufakturen der Stadt. Das Gelände um den heutigen Levinschen Park lag damals weit vor den Toren Göttingens und bot, neben genügend Platz, mit dem Bachlauf der Grone die notwendige Wasserkraft zum Betrieb der mechanischen Webstühle.

Auf Expansionskurs

1846 ging die Grätzelsche Manufaktur in Konkurs und das Gelände nebst Gebäuden wurde von Albert Hermann Levin als Erweiterung seiner bestehenden Wollfabrik in Rosdorf gekauft. Hermann Levin und sein Sohn und Nachfolger Ferdinand Levin konnten die Fabrik in den Folgejahren kontinuierlich vergrößern: Die Belegschaft wuchs von 50 Arbeitern 1850 auf fast 700 im Jahr 1912. Wichtige Meilensteine waren die Umstellung auf Maschinenkraft (erste Dampfmaschine Göttingens, 1862), Anlage eines großen Wasserreservoirs (1873), Bau eines eigenen Eisenbahnanschlussgleises (1892), Neubau der Fabrikanlagen (1905) und Neubau eines 70 Meter hohen Schornsteins (1908). Der Betrieb umfasste schließlich 80 Haupt- und Nebengebäude, 210 Webstühle und eine eigene Kläranlage für die Fabrikabwässer.

1912 erreichte der Betrieb seinen wirtschaftlichen Höhepunkt und war der größte Arbeitgeber Göttingens. Der wirtschaftliche Zusammenbruch Deutschlands nach dem 1. Weltkrieg beendete diesen Aufschwung und infolge der Weltwirtschaftskrise 1929 konnte das Unternehmen seine Kredite nicht mehr zurückzahlen und musste schließen.

Armutslöhne, Landverpachtung und erste soziale Einrichtungen

Männer und Frauen arbeiteten von Montag bis Samstag 56 bzw. 55,5 Stunden, das Mindestalter der Arbeiter war 14 Jahre. Der Jahresverdienst von Männern betrug 1905 etwa 700 Mark und lag damit deutlich unter der Armutsgrenze. Frauen und Jugendliche verdienten sogar nur die Hälfte, obwohl sie weitgehend die gleiche Arbeit verrichteten.

Um überhaupt leben zu können, bewirtschafteten die meisten Arbeiterfamilien noch zusätzlich etwas Land. Diesen Bedarf machte sich auch das Unternehmen zunutze, indem es Land an seine Angestellten verpachtete. Mit dieser Bindung an ein „eigenes“ Stück Land wurde verhindert, dass die Arbeiter zu besser zahlenden Fabriken wechselten und die besonders niedrigen Löhne konnten beibehalten werden.

Nach dem Tod ihres Mannes Ferdinand leitete Marie Levin die Fabrik von 1901 bis 1905. Sie versuchte vor allem die soziale Situation der Arbeiterinnen und der Ehefrauen der Arbeiter zu verbessern. Im 1901/1903 erbauten „Wohlfahrtshaus“ gab es Mittagessen – „mit drei Fleischtagen pro Woche“ – und günstige Lebensmittel, eine Haushaltsschule sowie eine Mütterberatungsstelle. Es gab eine Witwenkasse und eine Unterstützungkasse für kranke Arbeiter. Im 1897 errichteten Badehaus konnten die Arbeiter kostenlos baden und duschen.

Kleiner Park inmitten eines Gewerbegebietes

Heute liegt der Levinsche Park inmitten des größten Gewerbegebiets von Göttingen. Von den ehemaligen Fabrikanlagen sind nur noch die beiden Teiche, das Badehaus und das ehemalige Wohnhaus der Besitzer erhalten.

Ökologisch bestehen jedoch weiterhin Anbindungen an weitere „grüne“ Regionen der Stadt: Die Grone fließt vorbei am Park durch ein kleines Waldgebiet in die Leine und die Leineauen verbinden den Park nach Süden hin mit dem Göttinger Kiessee und dem südlichen Stadtrand.

Literatur und Links